Logo ITI Germany
8 Min

10.07.2023

Foto

Noria Arai

WIR BRAUCHEN EINANDER, UM WIRKLICH ETWAS ZU VERÄNDERN

Anastasija Bräuniger, Faisal Kiwewa, Bettina Sluzalek und Malin Nagel reflektieren im Gespräch die erste Edition der ITI Academy und loten Perspektiven für die Weiterentwicklung des Programms aus.

Mit der ITI Academy hat das deutsche Zentrum des Internationalen Theaterinstitut anlässlich von Theater der Welt 2023 ein Austausch- Mentoring- und Qualifizierungsprogramm für 20 aufstrebende Künstler:innen und Kurator:innen ins Leben gerufen. Die Zukunft von Internationalität und Diversität in den Szenischen Künsten steht im Fokus des Programms.

Malin Nagel

Bettina, warum hast du dem ITI vorgeschlagen, ein Akademieprogramm zu starten?

Bettina Sluzalek:

Die Idee kam bei einer Vorstandssitzung vor einigen Jahren auf, bei der wir darüber nachdachten, wie wir mehr junge und diverse Mitglieder in das ITI einbinden können und was wir ihnen anbieten könnten. Da ich in dieser Zeit bereits einige Programme für junge Künstler:innen entwickelt hatte, wie z.B. Mentoringprogramme, kam ich auf die Idee einer Akademie. Wir dachten, Theater der Welt wäre ein guter Rahmen, weil dort viele internationale Künstler:innen und Festivalmacher:innen Zusammenkommen und das Möglichkeiten für Begegnung und Austausch bietet.

Malin Nagel

Ausgehend von dieser ersten Idee haben wir für die ITI Academy eine Struktur mit vier Modulen und einem zusätzlichen Mentoringprogramm geplant. Es war uns wichtig, genügend Zeit mit den Fellows zu haben, um aktuell relevante Fragen der transnationalen Zusammenarbeit im Bereich der darstellenden Künste zu behandeln und thematische Schwerpunkte im Vorfeld von Theater der Welt gemeinsam zu erarbeiten. Gleichzeitig wollten wir die Fellows durch individuelles Mentoring in ihrer beruflichen Entwicklung stärken - und vielleicht sogar einen generationenübergreifenden Dialog für beide Seiten ermöglichen. Unsere Hoffnung ist, ein nachhaltiges Netzwerk aufzubauen, das den Teilnehmenden mehr Zeit gibt, sich gegenseitig kennenzulernen und vielleicht sogar die Akademie-Woche während Theater der Welt gemeinsam zu gestalten und Themenschwerpunkte zu setzen. Anastasija, mit welcher Absicht hast du dich für das ITI-Akademieprogramm beworben?

Anastasija Bräuniger

Es gab mehrere Gründe, warum ich mich beworben habe. Bevor ich als Regisseurin tätig wurde, habe ich an einem deutschen Stadttheater als Schauspielerin gearbeitet, mit sehr starren Strukturen, sehr wenig Diversität und sehr wenig Raum, um Fragen zu diskutieren, z.B. welche Art von Theater wir machen wollen, welche Art von Publikum wir anziehen wollen und wer hat überhaupt Zugang, wer in den künstlerischen Teams vertreten ist, wer auf der Bühne vertreten ist und wer nicht. Die ITI Academy hat mir die Möglichkeit gegeben, mehr darüber zu lernen, was Theater und Theatermachen braucht, um diverser und nachhaltiger zu werden, und welche Instrumente und Maßnahmen ich finden kann, um diese Strukturen und Mechanismen, die oft exklusiv und schädlich sind, zu untergraben. Ich habe das Gefühl, dass ich in dieser Hinsicht von den anderen Fellows lerne, weil hier verschiedene Erfahrungen, Perspektiven und Fragen zusammenkommen. Genau das war meine Hoffnung, als ich mich beworben habe: diesen Dialog mit Künstler:innen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Kenntnissen und künstlerischen Positionen zu führen, die ebenfalls diese Strukturen untergraben und Veränderungen in der staatlichen und auch in der freien Theaterszene anstreben. Und natürlich war ein Hauptgrund mein Interesse, transnational zu arbeiten. Jetzt bin ich sehr glücklich, dass ich eine Zusammenarbeit mit meinem Mentor Faisal plane. Ich wusste vorher nicht, wie ich eine solche internationale Zusammenarbeit angehen sollte und ich habe das Gefühl, ich lerne viel von seiner Perspektive, seiner Erfahrung und seinem Feedback.

Faisal Kiwewa

Ja, ich hatte großes Glück, mit Anastasija zusammenzuarbeiten, denn sie erforscht spezifische Themen, die mit dem Kontext, in dem ich arbeite, übereinstimmen, und das macht unsere Gespräche sehr interessant. Ich kann verstehen, was sie erreichen möchte, und ich kann ihr eine Art Interaktion anbieten, basierend auf meiner Überzeugung, dass sie von den Themen, die sie erforschen möchte, profitieren kann. Übrigens glaube ich, dass es für das ITI eine wirklich interessante Option wäre, die Interessensgebiete der Fellows mit denen aus anderen Ländern abzustimmen.

Malin Nagel

Faisal, du hast ein Akademieprogramm aufgebaut, das mit der BAYIMBA Foundation verbunden ist, du hast Erfahrungen als Mentor in der Festival Academy und jetzt in der ITI Academy gesammelt. Was sind aus deiner Sicht die Voraussetzungen, um solche Programme zu starten und ein nachhaltiges Netzwerk aufzubauen, damit die Teilnehmenden wirklich Wissen und Ideen untereinander austauschen?

Faisal Kiwewa

Es kommt wirklich auf den Kontext an und darauf, was der Zweck der Akademie sein soll. In diesem Fall geht es darum, langfristig zu denken: Welche langfristigen Ziele will die Akademie erreichen? Und liegt der Schwerpunkt nur auf der Unterstützung von Fellows aus Deutschland, die sich mit anderen Fellows aus Deutschland austauschen, oder soll es eine internationale Akademie sein? Das ITI ist eine internationale Plattform, die ihre Aktivitäten und ihre Wirkung internationalisieren will. Meiner Meinung nach muss das Programm daher eine viel globalere Perspektive haben. Die ITI Academy könnte langfristig mehr tun, um die Möglichkeiten für ihre Fellows zu erweitern, andere geografische Kontexte zu erkunden. Ich finde, dass das deutsche Theater in gewisser Weise sehr deutsch ist, mit Regeln und Vorschriften, die nicht einfach zu handhaben sind. Wenn man also andere Länder einbezieht, würde man diese Grenzen wirklich aufbrechen und den Fellows interessante Herausforderungen bieten. Und ich denke auch, dass die Öffnung der ITI Academy für andere von außerhalb wirklich sehr fruchtbar wäre: Sie bringen viele Perspektiven mit, können viel zum Programm beitragen, und das wird diesem eine internationale Dimension verleihen.

Ein weiterer Aspekt ist die Frage, wie wir unsere Programme innerhalb der Akademie gestalten: Wie stellen wir sicher, dass wir die Möglichkeiten für unsere Teilnehmenden durch die Erfahrung anderer Kulturen erweitern? Diese offene Interaktion lässt sich gezielt steuern, indem wir Schwerpunkte setzen, z.B. dass wir uns in diesem Jahr auf ein bestimmtes Thema, auf diese oder jene Region oder Ästhetik konzentrieren. Das hilft wirklich, um viele verschiedene Bereiche innerhalb des Programms abzudecken. Und wir müssen versuchen, sicherzustellen, dass jede:r die Chance bekommt, sich zu beteiligen, sonst hat man vielleicht immer dieselben Leute, dieselbe Ästhetik, dieselben Interessen. Aber wenn man wirklich Diversität oder einen kulturelleren Ansatz haben will, dann muss man über Schwerpunkte nachdenken. Das gibt uns die Möglichkeit, viel mehr Bereiche abzudecken.

Bettina Sluzalek

Ich stimme dir zu, Faisal, die Internationalisierung dieses Programms ist auch mein Traum, und das ist ja auch das Ziel des ITI: Menschen zusammenzubringen. Ich möchte daran erinnern, warum das ITI gegründet wurde: nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Erfahrungen von Krieg, Diktatur und Zensur noch frisch waren, um diese in Zukunft zu verhindern. Natürlich ist das ITI dabei oft gescheitert, aber es ist dennoch sehr, sehr notwendig, Menschen aus allen Kontinenten zusammenzubringen, um miteinander zu reden, um letztendlich Dinge zu verändern. Ich denke, diese Gruppe, diese ersten Fellows, sind Menschen, die ein politisches Anliegen haben. Und es ist vor allem die jüngere Generation, die auf die globalen Herausforderungen unserer Zeit hinweist und daran arbeitet, diese Krisen in Zukunft zu verhindern. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass diese Akademie und diese Gruppe eine echte Chance für das ITI ist, so etwas wie einen Think-Tank für die Frage aufzubauen, welche Art von Zukunft wir haben wollen und welche Rolle die Kunst bei der Sicherstellung einer demokratischeren, nachhaltigeren Zukunft spielen kann und was eine Institution wie das ITI dazu beitragen kann.

Malin Nagel

Ja, absolut, auch wenn wir anfangs beschlossen haben, uns zunächst auf die Menschen zu konzentrieren, die ihre Arbeitsbasis in Deutschland haben...

Bettina Sluzalek

Wir haben eine sehr internationale Gruppe, muss man schon sagen.

Malin Nagel

Das stimmt... Für uns schien es notwendig, uns zunächst auf die unterschiedlichen, internationalen, lokal verorteten darstellenden Künste hier in Deutschland zu konzentrieren. Unser Eindruck war: Wir müssen zuerst koloniales Denken, Strukturen und Eurozentrismus identifizieren und dekonstruieren und uns den großen Herausforderungen stellen, die wir in unserem Arbeitsleben hier in Deutschland haben. Das schien uns die Grundlage für den nächsten Schritt zu sein: Künstler:innen und Kurator:innen, wie du gesagt hast, Faisal, aus der internationalen Szene zu treffen, mehrere Perspektiven zusammenzubringen und diese sehr unterschiedlichen Realitäten und Ansätze kennenzulernen, um daraus ein Drittes zu machen.

Bettina Sluzalek

Aber wirklich mit dem Ziel, etwas aufzubauen, um etwas zu verändern. Denn das, denke ich, ist notwendig.

Anastasija Bräuniger

Die Frage, wie Theater oder Kunst mit komplexen globalen – politischen, wirtschaftlichen, kulturellen usw. – Verhältnissen und Krisen umgehen kann, ist eine, über die ich viel nachdenke, und die mich, ehrlich gesagt, auch regelmäßig am Theater zweifeln lässt. Ich bin nicht nur an einer reaktiven und reflektierenden Herangehensweise interessiert, sondern auch daran, Gegenstrategien und Visionen zu diesen globalen Themen und Realitäten zu entwickeln. Für diese Gegenstrategien, für unterschiedliche Perspektiven und transnationale Vernetzung und Kooperation müssen wir aber dringend Raum schaffen. Ich hoffe, dass das Netzwerk der ITI Academy und die inspirierenden Mentorate erste wenn auch kleine Schritte sein könnten, um die eurozentrische Perspektive zu dekonstruieren und transnationale Kooperationen und Visionen zu entwickeln. Als politische Theatermacherin glaube ich, dass das Theatermachen selbst immer eine politische Dimension hat und es deshalb umso wichtiger ist, zu fragen: Wie mache ich Theater? Mit wem mache ich Theater und mit welchen Dynamiken, Strukturen, wie kommunizieren wir? Wer erzählt wem was, wer steht auf der Bühne? Wie nutzen wir diese Räume der Zusammenkunft usw.?

Malin Nagel

Ich denke darüber nach, wie wir Wissen und Erfahrungen teilen können, ohne neoliberale und kapitalistische Denkweisen zu reproduzieren oder andere zu bevormunden. Wie wir diese Art von Logik auf eine offenere Art und Weise überwinden können, indem wir Wissen kollektiv teilen, ohne zu viel Offenheit oder einen unbefriedigenden Mangel an Struktur zu haben. Dies war eine besondere Herausforderung für diese Akademie. Wie viel Raum braucht es für die künstlerische und persönliche Entwicklung der Fellows und gleichzeitig wie viel Struktur und welche Formate sind notwendig, um Wissen in und mit der Gruppe zu teilen?

Faisal Kiwewa

Ich denke, eine Akademie muss eine Struktur und eine Agenda haben. Die Teilnehmer:innen müssen sich dieser Agenda, ihren Grundsätzen, Zielen und Zielsetzungen anschließen. Ich glaube nicht, dass es sich um ein Gespräch zwischen dem Fellow und dem ITI handeln sollte, in dem es heißt: Gefällt dir das? Nein, das gefällt mir nicht, könntest du das für mich ändern? Ich glaube nicht, dass das der Weg sein sollte, auf dem wir arbeiten. Es sollte klare Richtlinien und Regeln geben, denn es handelt sich um eine Politik, ein Programm, das auf eine bestimmte Art und Weise eingerichtet ist, um etwas zu erreichen.

Bettina Sluzalek

Wenn du fragst, was wir tun können – ich denke generell, wir brauchen unbedingt neue Narrative, um von einer eurozentrischen Perspektive wegzukommen und diese Narrative können nur durch Zuhören entstehen. Ich denke, das ist auch ein wichtiger Punkt für das Programm. Aber wie wir diese neuen Narrative erreichen können, ist eine andere Frage. Was denkt ihr, wie können wir diese erreichen?

Malin Nagel

Ja, es schien uns wichtig, Raum für persönliche Erfahrungen und Begegnungen zu schaffen, um ein solides Netzwerk zu etablieren, um wirklich etwas gemeinsam aufzubauen und neue Geschichten zu erleben. Das könnte den Fellows die Chance geben, Verbindungen aufzubauen, die länger als nur ein Jahr halten.

Faisal Kiwewa

Das geht einher mit der Idee, das Wachstum des ITI auszubauen. Wenn die Akademie auch Partnerschaften in allen ITI-Ländern oder mit Theaterleuten weltweit hätte, die sich bereit erklären Teilnehmende eines Praktikumsprogramms aufzunehmen, könnten die Fellows viel physischere und experimentellere Erfahrungen machen, die sowohl theoretische als auch praktische Aspekte für ihren Lernprozess beinhalten. Wir arbeiten mit vielen Universitäten zusammen, z. B. mit der Princeton University, und sie entsenden Studierende für ein bis sechs Monate. Sie lernen in einem praktischen Programm viel darüber, wie sie die theoretische Ausbildung, die sie an der Universität erhalten, akzentuieren und verstärken können. Es wäre interessant, in das Programm aufzunehmen, dass man für zwei oder drei Monate in ein bestimmtes Land oder zu einem unserer Partner geschickt wird, um dort mit einer Theatergruppe zu arbeiten und den Kontext zu erleben, in dem Theater oder Ideen entwickelt werden.

Bettina Sluzalek

Ja, das war auch die Idee hinter der ITI Academy, wissend das es in den letzten 50 oder mehr Jahren viele solcher Programme gegeben hat. Aber ich habe den Eindruck, dass internationale Organisationen, wie Teile des ITI-Netzwerks, im Laufe der Zeit immer bürokratischer wurden, und es aufgrund der repressiven Politik in vielen Ländern auf der Welt viel schwieriger wurde, diesen internationalen Austausch durchzuführen. Momentan macht es die Bürokratie oft schwer, Veränderung zu erreichen.

Anastasija Bräuniger

Die persönlichen, physischen Interaktionen sind so wichtig! Trotz der Herausforderungen, die wir auch in der Academy haben, habe ich das Gefühl, dass wir Verbindungen zwischen den Fellows aufbauen. Wir treffen uns jetzt auch außerhalb der Module, um uns gegenseitig Feedback zu geben oder die Ausstellungen der anderen zu besuchen. Ich finde das wirklich schön an der ITI Academy, dass wir langsam ein Netzwerk von gleichgesinnten Künstler:innen aufbauen, die Veränderung suchen und sich gegenseitig unterstützen. Ich kann mir durchaus vorstellen, mit diesen Künstler:innen zu kooperieren und zusammenzuarbeiten.

Malin Nagel

Bettina, welche Ideen hast du, wie wir die Generationen zusammenbringen und einen besseren Dialog zwischen den ITI-Mitgliedern auf der einen und den Fellows auf der anderen Seite führen können? Wie kann die ältere Generation von den neuen Perspektiven und den Ideen, die die Jüngeren einbringen, profitieren?

Bettina Sluzalek

Ich denke, Theater der Welt 2023 - mit der Akademie und der Jahrestagung - ist ein Ansatzpunkt. Es wird einen ersten Gedankenaustausch geben, und dann werden wir sehen, was passiert, aber ich bin mir sicher, dass es fruchtbar sein wird und wir damit weitermachen werden. Und ich wünsche mir, dass es auch regelmäßige Treffen zwischen den Generationen gibt. Es geht also nicht nur um Begegnungen zwischen verschiedenen Kulturen, auch der Dialog zwischen den Generationen ist wichtig.

Malin Nagel

Nach Theater der Welt wird diese erste Ausgabe der Akademie zu Ende gehen und wir werden eine Evaluierungsphase haben. Gleichzeitig wollen wir ein Alumni-Netzwerk mit den aktuellen Fellows aufbauen. Was ist deine Vision oder Empfehlung für die Fortsetzung dieses Programms?

Faisal Kiwewa

Ich denke, zwei Dinge wären interessant. Erstens, wie Bettina schon sagte, die Frage, wie erreichen wir diesen Dialog? Während der Academy Week bei Theater der Welt wird es die Gelegenheit geben, auf diese ältere Generation zuzugehen und ihnen zu sagen: Wir wollen das wirklich vorantreiben, wir möchten, dass Euer Festival ein Partner des Programms wird. Wir wissen jetzt noch nicht, worum wir Euch bitten werden, aber wir könnten uns später an Euch wenden und fragen, ob Ihr etwas vorschlagen möchtet. Das ist es, was wir erreichen wollen. Die zweite Sache wäre eine Gelegenheit, mit Leuten in Kontakt zu treten, die große Festivals organisieren. Während meiner Ausbildung zum Kulturmanager habe ich unter anderem mit älteren Menschen in Theatern und bei Festivals gearbeitet, z. B. in Avignon, Edinburgh oder Roskilde. Das half mir, die Ansichten dieser älteren Menschen zu verstehen. Die meisten von ihnen waren über sechzig, und sie hatten mir viel zu erzählen, wenn es um ihre Arbeit und die Erfahrungen ging. Dies wäre auch eine Möglichkeit für die ITI Academy, den Austausch zwischen den Fellows und erfahrenen Theaterleuten zu ermöglichen. Ich glaube, dass diese Interaktionen als Teil des Programms wirklich sinnvoll wären, denn ich glaube, einige dieser älteren Leute haben das Gefühl, dass wir sie nicht wertschätzen. Dabei können sie uns in unserem Geschäft viel beibringen. Wenn es also die Möglichkeit gibt, die ältere und die jüngere Generation zusammenzubringen, wäre das eine Chance für das Programm. Wie auch die Identifizierung von Partner:innen, die Schaffung eines Netzwerks und von Möglichkeiten zur Interaktion – ich denke, das wäre wirklich interessant.

Bettina Sluzalek

Ich stimme dir absolut zu. Das ist auch der Grund, warum wir dachten, dass Theater der Welt ein guter Ort wäre, weil viele dieser Festivalmacher:innen, von denen du gesprochen hast, sich dort treffen. Und ich denke, der Austausch mit der älteren Generation ist sehr wichtig, auch über die Misserfolge und warum sie die hatten. Wie man mit dem Scheitern umgeht, ist ein großes Thema in der Kunst. Und ich stimme dir natürlich zu, Faisal, dass wir das Programm so schnell wie möglich für transnationale Verbindungen öffnen sollten.

Anastasija Bräuniger

Ich habe darüber nachgedacht, wann ich am meisten von der Perspektive einer Künstler:in einer älteren Generation gelernt habe. Und am meisten geschah das dann, wenn ich meine Arbeit konkret zeigen konnte und Feedback dazu bekam. Ein Pool von Künstler:innen und die Möglichkeit, diese Künstler:innen zu Aufführungen oder Proben einzuladen und in Austausch zu treten über Momente von Scheitern, oder wie man künstlerische Prozesse, auch innerhalb von Institutionen am besten navigiert, wäre wirklich von Gewinn.  

Bettina Sluzalek

Wenn du sagst, dass du von diesem Austausch mit der älteren Generation profitierst, kann ich sagen, dass es auch umgekehrt so ist, denn ich lerne sehr viel von meinen Mentees, es ist eine echte Interaktion.

Anastasija Bräuniger

Meine Hoffnung ist, dass die Bindungen, die jetzt wachsen, und die Verbindungen, die wir in dieser Gemeinschaft herstellen, sich weiterentwickeln und lebendig bleiben. Denn um die Strukturen und Dynamiken wirklich zu verändern, brauchen wir ein starkes Netzwerk, wir können nicht alles allein machen. Diese Individualisierung ist etwas, das ich bei mir selbst und im Sektor feststelle. Wir brauchen einander, wir brauchen solche Netzwerke, um etwas zu verändern.

Faisal KIWEWA ist der Gründer und künstlerische Leiter der Bayimba Foundation, zahlreiche Plattformen zur Förderung der Künste in Uganda geschaffen, unterstützt und ausgebildet hat. KIWEWA hat eine Reihe von Festivals und Veranstaltungen organisiert, darunter das international anerkannte Bayimba International Festival of the Arts und weitere Festivals in ganz Uganda. Er leitete das regionale Forum DOADOA | East African Performing Arts Market und das spezialisierte Kampala International Theatre Festival ein und belebte das Amakula International Film Festival wieder. Er wird häufig als Sprecher, Trainer und Programmgestalter/Kurator, Komitee- oder Jurymitglied für verschiedene Festivals und Veranstaltungen auf dem ganzen Kontinent angefragt. KIWEWA ist Mitglied mehrerer Gremien und Ausschüsse, u.a. im Mitgliedschaftskomitee der Music in Africa Foundation (Südafrika), dem Ethno-Komitee der Jeunesses Musicale International und im Vorstand des International Independent Cultural Council (Großbritannien/Griechenland). Er ist unter anderem Gründungsmitglied des Africa Music Forum (Kap Verde), Landesvertreter von Visa for Music (Marokko), Mitglied des iGODA-Netzwerks (Insel La Réunion/Subsahara-Afrika), Mitglied des Arterial Network (Südafrika) und Mitglied von Culture Connections Africa (USA/Afrika). Seine Kenntnisse im internationalen Kulturmanagement erwarb er am DeVos Institute of Arts Management am Kennedy Center (USA), an der Management School of Fundraising (UK) und am CREARE - Erasmus Centre for Research and Cultural Economics (NL). 

Dr. Bettina Sluzalek arbeitete nach dem Studium der Politikwissenschaft und Promotion in Berlin und Santiago de Chile von 1996 bis 1999 am Internationalen Theaterinstitut (ITI). Danach war sie an der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin tätig, von wo aus sie in das International Office des Globe Theaters in London wechselte. Von 2002 bis 2007 war sie als künstlerische Geschäftsführerin am Theaterhaus Stuttgart tätig, von 2007 bis 2018 war sie Mitglied der künstlerischen Leitung am radialsystem und leitete von 2013 bis 2015 das Mentoring-Programm des Performing Arts Program Berlin. Derzeit ist sie Chefdramaturgin der Ludwigsburger Schlossfestspiele. Bettina Sluzalek ist Mitglied in verschiedenen Jurys und Gremien, von 2006 bis 2021 war sie im Vorstand des Internationalen Theaterinstituts, dessen Vizepräsidentin sie von 2015 bis 2021 war. 

Anastasija Harrowna Bräuniger arbeitet als Schauspielerin und Regisseurin - sie verbindet politisches Dokumentartheater und verschiedene künstlerische Disziplinen, um poetische Diskursräume zu schaffen. Bikulturell aufgewachsen, hat Anastasija ein Interesse daran, über geographische Grenzen hinweg zu arbeiten und transnationale Ansätze zu suchen. Neben ihrem Regiestudium (HfS Ernst Busch) realisierte sie die Kurzfilme CHAMPIONS (2016) in Kurdistan/Irak und Interview (2018) im Libanon, die in Co-Autorenschaft mit von Vertreibung betroffenen Kindern entstanden sind. Für ihr Konzept PROTEST4 (2020), das sie in Zusammenarbeit mit Aktivist:innen aus Protestbewegungen in Hongkong, Chile und dem Libanon inszenierte, gewann sie den Regienachwuchswettbewerb am Theater Erlangen. Gefolgt von ihrem Diplomprojekt Heterotopia Moria (2021), das Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen thematisiert und die Entwicklung der EU-Asylpolitik diskutiert. Während der ITI Academy Week bei Theater der Welt 2023 wird sie die partizipative Installation VOYAGER im Rahmen der ITI Academy Week.

Malin Nagel betreut die ITI Academy für junge Kulturschaffende, deren Höhepunkt die Akademy Week während Theater der Welt darstellt. Sie studierte Literatur- und Musikwissenschaft an der Uni Kiel sowie Dramaturgie an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig und hat mehrere Jahre als Dramaturgin und Produktionsleiterin an Stadt- und Staatstheatern sowie der Freien Szene gearbeitet.